07.06.2021
Lasst uns (heute) leben!
"Halt! Zurückkommen! Das Kleid ist für Gut!" pfeife ich mein glückliches und hübsch zurecht gemachtes Kind zurück.
Sie bleibt stehen und schaut mich ungläubig an.
"Wofür??? Mama, was soll das sein?"
Manchmal sind es wirklich merkwürdige Dinge, die ich unseren Kindern da erzähle. Die Absurdität meiner Worte wird mir manchmal erst im Nachgang klar und meine Wortwahl lässt mich heute echt lachen...
Wofür? Für "Gut"? Allein grammatikalisch angreifbar, ist die dahinterstehende Logik wirklich so typisch erwachsen!
"Willst du deinen großen Schokohasen nicht lieber ein andermal essen? Nimm doch erst was kleines!"
Für ein Kind, das ein besonderes Kleidchen, ein besonderes Lieblingsspielzeug, eine neue Schultasche oder sonst irgendetwas besonders tolles besitzt, kann es keinen besseren und passenderen Zeitpunkt geben als JETZT. WIESO AUCH?
Lasst uns mal öfter ein Beispiel an den Kindern nehmen
Viel zu oft warten wir auf "den Moment" auf "das Event" oder "die guten Zeiten". Ohne je sicher wissen zu können, ob das, was wir da erwarten überhaupt eintreffen wird.
Wenn außerplanmäßig Schnee liegt oder das leichte, schöne Sommerkleidchen zu klein geworden ist? Wenn sich ein Virus über die Welt ausbreitet und wir nicht zusammen an der großen Festtafel sitzen dürfen?
Ich meine: Wir haben uns so angewöhnt von hier und jetzt in die Zukunft zu sehen, dass wir es manchmal nicht schaffen unsere Zehenspitzen zu spüren und unser Leben heute wahrzunehmen.
Kinder können auch auf dem hektischen Weg in den Kindergarten zeitliche Engpässe vergessen, wenn sie nur eine Ameise am Bordstein entdecken. Oder mit einer manchmal nahezu meditativen Versunkenheit ihre Spaghetti von Kräuterfitzelchen befreien.
Kinder können Raum und Zeit vergessen, sie leben in Hier und Jetzt.
Und genau das macht uns Erwachsene manchmal so ungeduldig mit ihnen. Wir haben Pläne. Wir sind meist schon einen Schritt weiter, beim Abendbrot, dem Zubettgehen oder dem morgigen Tag. Beim Begleiten der Vorschulübungsblätter schlagen wir innerlich die Hände über dem Kopf zusammen, weil wir unser Kind schon die Schule ohne Abschluss verlassen sehen. Weil wir nicht hier sind, sondern schon viel, viel weiter!
Es gibt immer wieder Momente in unserem Leben, in denen alles still steht, in denen wir im Hier sind. Momente, die uns bewusst machen, dass unser Leben, so wie es ist, fragil und zerbrechlich ist. Und genau dieser Umstand macht es so besonders - so wertvoll.
Viele Dinge, die wir versuchen auf die Zukunft zu verschieben, machen in der Gegenwart höchstwahrscheinlich viel mehr Sinn.
Ich glaube, dass wenn ich mich heute um gute Beziehungen bemühe und sie lebe, dann hat das Einfluss auf meine Zukunft.
Wenn ich Genuss heute (er-)lebe, dann macht das Vorgeschmack auf morgen.
Und wenn ich heute neugierig bin und erforsche, dann kann ich morgen noch so viel mehr entdecken.
Manchmal ist uns das so bewusst. Und dann vergessen wir das im ganzen Alltag.
"Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht hier, sag mir wo und wann!"
Es gab sicherlich schon viele späte Stunden auf den Tanzflächen, in denen uns dieser Gedanke so präsent und spürbar war. "So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Prost!"
Also, worauf warten wir noch?
Schatz, hol das gute Geschirr aus dem Schrank! Wir feiern, dass Heute ist.
Macht es euch schön!
Johanna
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