18.06.2021

"Ich will mich aber nicht entschuldigen!"

 

 

Situation

Es gibt diese typischen Momente. Wir kennen sie doch alle:

Unsere Kinder spielen mit anderen Kindern im Sand, auf dem Spielplatz oder sonst wo. Plötzlich knallt es, Sandeimer fliegen, es wird geschubst, Tränen, Chaos, Verzweiflung.

Bei den Kindern UND bei uns Erwachsenen.

Also stürmen wir hinzu, versuchen die Situation schnellstmöglich zu klären. Und dann kommts: "Entschuldige dich!" oder etwas intensiver: "Du entschuldigst dich jetzt SOFORT!"

 

Hintergrund

Wir Eltern, oder auch andere betreuende Erwachsene, streben nach Harmonie, nach Ruhe und Einigkeit. Friede-Freude-Eierkuchen.

Wir möchten, dass unsere Kinder gut integriert sind, mit anderen Kindern spielen, sich wohlfühlen.

 

Dass es auch mal knallt im Paradies, ist uns ganz klar. Das darf auch sein (in einem bestimmten Rahmen). Aber dann muss sich auch entschuldigt werden. Und dann kommen häufig eben genau diese Sätze, wie "Jetzt gehst du hin und entschuldigst dich!".

 

Unsere Intention ist ganz klar und ja auch wirklich ritterlich:

Wir möchten, dass unser Kind moralisches Handeln lernt. Dass es erkennt, wenn es Fehler gemacht hat oder sich nicht angemessen verhalten hat. Und wir möchten, dass unser Kinde lernt, sich nach unserem gesellschaftlich vorherrschenden Kodex zu verhalten und sich in solchen Situationen zu entschuldigen.

 

Und ganz ehrlich: manchmal möchten wir es auch für uns selbst. Wir möchten ja auch Teil einer Gruppe sein. Wir wollen uns mit anderen Eltern wohlfühlen. Und wir möchten, dass unser Kind gemocht wird. "Ja, mein Kind hat Mist gebaut, ABER es hat sich auch entschuldigt!" ;)

 

ABER

Wenn sich unser Kind weigert sich zu entschuldigen (ist mir schon passiert, war sehr unangenehm...), haben wir ein Problem. Denn "zwingen" wir unser Kind zum 'sich entschuldigen', entschuldigt es sich nicht, weil es erkannt hat, dass es etwas falsch gemacht hat.

Es entschuldigt sich nicht, weil es ihm aufrichtig leid tut, was es getan hat.

 

Es entschuldigt sich dann aus der Angst heraus, was passieren könnte, wenn es sich nicht entschuldigt. "Wenn du dich jetzt nicht entschuldigst, fahren wir sofort nach Hause!"

Es lernt in diesem Moment einen Befehl auszuführen, ohne das eigene Handeln wirklich zu hinterfragen.

So lernen Kinder moralisches Handeln nicht.

So lernen Kinder, dass es ok ist, wenn stärkere Menschen über schwächere bestimmen dürfen.

 

Vielleicht möchte es sich auch nicht entschuldigen, weil es sich nicht als schuldige/r empfindet. In dem Moment würden wir mit der Aufforderung sich entschuldigen zu müssen, dem Kind suggerieren: "Es ist mir egal, wie du dich fühlst! Du sollst dich entschuldigen!" oder im weiteren "Was du fühlst ist falsch!"

 

Oder vielleicht traut sich unser Kind nicht sich zu entschuldigen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer und beschämend es sein kann, sich zu entschuldigen. Da fällt es leichter die Arme zu verschränken und den Kopf zu schütteln.

 

Was wir stattdessen tun können

 

Wir können unsere Kinder ernst nehmen und ihre Sicht der Dinge anhören. Gemeinsam die Situation besprechen. "Schau mal, der Pascal hat gerade den Sand in die Augen bekommen, den du geworfen hast." Wir können gemeinsam überlegen, wie sich der andere Mensch vielleicht fühlt. "Jetzt weint er, was meinst du, wie er sich jetzt fühlt?", "Ich glaube, dass ihm jetzt die Augen wehtuen!" Gefühle benennen. "Vielleicht ist er jetzt traurig/wütend/erschrocken?"

Und wir können gemeinsam Handlungsstrategien entwickeln. Vorschläge machen. "Meinst du, es wäre eine gute Idee, wenn du dich bei ihm entschuldigst?"

 

Antwortet unser Kind dann mit einem "Nein!" kommt die größte Herausforderung und gleichzeitig die wichtigste Message von uns an unser Kind: Wir respektieren seine/ihre Entscheidung und Haltung.

Wir dürfen anderer Meinung sein! Das ist ganz klar und wichtig! Und wir können das auch so sagen "Du möchtest dich nicht entschuldigen - ok. Ich fände eine Entschuldigung angemessen."

 

So lernen Kinder direkt von uns, was es bedeutet, andere Menschen respektvoll zu behandeln. Und somit auch, sich irgendwann aufrichtig und ehrlich entschuldigen zu können.

 

Davon bin ich ganz fest überzeugt.

 

Lasst es euch gut gehen!

 

Johanna

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