Vorbilder...?!

 

Wir leben in einer Zeit, in der wir quasi in jede Küche, Wohnzimmer und zum Teil auch Schlafzimmer Einblick bekommen. Wir werden mitgenommen in die schönsten Urlaube, die besten Feten und in ganz intime Situationen. Virtuell natürlich. Im "wahren Leben" kann man hingegen kaum noch in die Häuser sehen, weil sie mit Vorhängen oder Jalousien verschlossen werden, sobald es dämmert.

Doch, was machen wir mit diesen vielen Eindrücken? Mit den Bildern und Vorstellungen anderer Leben, die tagtäglich auf uns einprasseln?

Manchmal ganz unbewusst, manchmal ganz bewusst, fangen wir an, diese Menschen als Vorbilder für uns zu installieren. Ihre Art zu leben, zu denken oder zu sein als erstrebenswert zu betrachten und ihnen versuchen nachzueifern.

Mein persönliches Thema ist da aktuell Ordnung und Haushalt. Im Oktober habe ich versucht an einer Challenge teilzunehmen. Das Thema: "Ordnung in 10 Minuten". Jeden Tag widmete sich eine sehr sympathische, strukturierte und ordentliche Frau einem anderen unliebsamen Bereich des Hauses, um ihn in 10 Minuten in Ordnung zu bringen.

Genau mein Ding - dachte ich - und scheiterte am zweiten Tag (AM ZWEITEN TAG!!!!!!).

Die nächsten Tagesvorschläge, sehr liebevoll aufbereitet, wurden kommentiert von vielen anderen motivierten und fleißigen Menschen, die es tatsächlich (!), scheinbar schafften diese Pipifax-Larifari-Minimalistische Tagesaufgabe umzusetzen. Nur ich nicht! "Was ist nur los mit mir?" dachte ich nicht nur einmal. Wie kann das sein, dass ich nicht in der Lage bin DAS zu schaffen, was so viele andere (ordentliche) Menschen schaffen?

Dabei weiß ich:

Wir brauchen Vorbilder.

Wir brauchen Ideen und Menschen, die uns inspirieren und uns vorantreiben. Die uns wie Leuchttürme eine Richtung weisen und uns daran erinnern was alles möglich ist.

Aber wir brauchen nicht den Druck, der manchmal entsteht. Dieselben Maßstäbe anzusetzen erscheint mir hier kontraproduktiv und selbstzerstörerisch. Wir brauchen keine 2586. Kopie einer hübschen Heidi Klum oder einer nach außen wirkenden Topmama aus einem Hochglanz-Elternmagazin.

 

Wir haben Vorbilder.

Wir suchen uns unsere Vorbilder, wenn auch nicht immer ganz bewusst, selbst aus. Ob im 'wahren Leben' oder im Netz. Manchmal gleicht das durchscrollen von anderen Facebook- oder Instagramaccounts regelrecht selbstverletzendem Verhalten. Da sieht man so viel Schönes, Erfolgreiches und Lebendiges. Natürlich wollen wir das auch!

Interessant erscheint mir in dem Zusammenhang die Frage, warum wir uns ausgerechnet für dieses oder jenes Vorbild entscheiden, wenn wir es denn soweit bewusst machen. Was sind unsere eigenen Wünsche oder Bedürfnisse dahinter?

Besonders jetzt, wo wir weniger Menschen im realen Leben treffen dürfen, wo zwischenmenschliche Beziehungen z.T. ganz neu erfunden und interpretiert werden müssen. Besonders jetzt verbringen wir viel Zeit im Netz. Sehen in viele andere und fremde Leben.

Behalten wir dabei im Kopf: es sind nur spontane Momentaufnahmen. Wir sehen in den Bildern und Stories meist nur das, was wir sehen sollen.

 

Wir sind Vorbilder.

Wir sind Vorbilder, vor allem, oder besonders für unsere Kinder.

Für unsere Kinder sind wir, bis zu einem bestimmten Alter, DIE Vorbilder. Ohne es bewusst wahrzunehmen, sind wir für unsere Kinder völlig unfehlbar. Unsere Kinder können noch gar nicht hinterfragen ob das, was wir als Eltern tun, sagen oder vorleben falsch sein könnte. Vorher würden sie sich selbst verbiegen.

Daher ist es von großer Bedeutung was wir über uns selbst denken. Ob es für uns ok ist, wenn wir nicht makellos sind. Oder ob wir resignieren und uns selbst schlecht machen, weil wir unseren Vorbildern nicht entsprechen (können). Unsere Kinder übernehmen das zunächst meist völlig ungefiltert und unzensiert für sich selbst. Die guten und sanften Stimmen in uns und auch die kritischen und abwertenden Stimmen.

Wir lehren unseren Kindern so über sich selbst zu denken.

Wir stammen alle aus unterschiedlichen Häusern, haben unterschiedliche Familien- und Beziehungsgeflechte erlebt. Wir haben alle unterschiedliche Erfahrungen, Werte und Hoffnungen. Wir leben alle andere Ideen und andere Leben. Das sollten wir im Hinterkopf haben, wenn wir uns (vielleicht wieder mal) schlecht fühlen, weil unsere vermeintlichen Vorbilder soooo perfekt zu sein scheinen.

 

Lasst uns gut mit uns umgehen, dann können unsere Kinder auch lernen gut zu sich zu sein.

Wir stehen alle woanders und gehen alle in unserem eigenen Takt.

Lasst uns aufhören Unvergleichbares zu vergleichen!

Und nehmen uns das heraus, was uns gut tut.

 

Es ist doch sowieso immer eine Frage der Interpretation: Ich für meinen Teil habe in dieser Challenge gelernt, wie ich Gästehandtücher sehr platzsparend und hübsch falten kann, sodass sie nun nicht mehr neben dem kleinen Körbchen auf der Ablage liegen müssen, sondern in das Körbchen hineinpassen. Ist das etwa nichts? ;)

Lasst es euch gut gehen, 

Johanna

03.11.2020

Johanna Martinek Mütter - und Familienberatung

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