Ich bin sauer!
So richtig. Auf wen? Oder was? Keine Ahnung! Aufs Schicksal, auf den Virus und auf das alle hier.... vielleicht....
Ich haue mir laute "Krawallmusik" auf die Ohren - die Kinder sind außer Haus. Das tut gut. Ich singe laut mit - ein kleiner Freiheitshauch erschleicht mich ganz leise zwischen den lauten Tönen. Während ich Betten mache, die Spülmaschine einräume.
Ich aale mich im Gefühl so richtig sauer zu sein. Was bin ich wütend und entrüstet! Gleichzeitig feiere ich die Musik und das Gefühl für einen Moment 15 Jahre jünger zu sein - fast pubertär. Ein kleiner Ausflug irgendwie. Fühlt sich rebellisch an.
Als das Album zuende ist bin ich etwas erschöpft von so viel Gefühl und Gesang, fühle mich aber besser. Ich nehme die Kopfhörer ab und komme wieder im Hier und Jetzt an.
Die Spülmaschine summt, das Holz knackt im Ofen. Sonst ist es still. So wie es auch wieder ruhiger wird in mir. Manchmal brauche ich das einfach.
Nicht immer haben wir den Luxus uns diesen Gefühlen voll und ganz hingeben zu können. Entweder, weil die Zeit, der Umstand oder die Gesellschaft es nicht zulassen oder weil wir es uns selbst nicht erlauben wollen. Da kommen Fragen auf, wie: "Darf ich vor den Kindern wütend sein?" "Dürfen die Kinder sehen, dass ich so richtig sauer bin?" "Darf ich vor meinem Kind weinen?"
Ich glaube wir dürfen!!
Es tut gut Gefühle zu leben. Vielleicht ist es sogar auf eine Art überlebenswichtig! Wahrhaftig zu sein. Mit Ecken und Kanten! Mit Gefühlen - wie Menschen sie nunmal haben.
Auch Kindern sollten wir diesen "Luxus", diese soooooo wichtige Chance geben, so richtig wütend, traurig oder sauer zu sein. Auch, wenn es uns manchmal schwer fällt.
Zu spüren, wie die Wut hochkocht. Wie sie brodelt und alles im Körper erhitzt. Zu spüren was aus uns herauskommt. Im sicheren Rahmen auszuprobieren, sich kennenlernen zu dürfen. Zu spüren - die Wut darf da sein - ich bin auch mit ihr willkommen. Sie gehört zu mir und es ist ok, wenn sie da ist.
Und dann zu spüren, wie sie absackt, die Last. Wie sie kleiner wird und die Erschöpfung, die einsetzt.
Und sich Ruhe einstellt.
Ein neues Sortieren. Vielleicht eine neue Idee.
Ohne Angst zu haben verurteilt zu werden.
Aufgefangen zu werden.
In Liebe.
Lasst es euch gut gehen,
Johanna
10.11.2020
Johanna Martinek Mütter - und Familienberatung
19.11.2020
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