"Alles perfekt, Mama?"

 

Ja, ich gebe zu, ich versuche es manchmal. Ich versuche mich immer mal wieder im "perfekte Mutter sein".

Aber was soll ich sagen? Ich pack's nicht.... (und um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass es überhaupt jemanden gibt, die es schafft immer 100%ig zu sein - und was soll das eigentlich sein?).

Es ist so anstrengend zu versuchen jemand zu sein, der man gar nicht ist. Immer nett zu sein, konsequent, erfolgreich, aufmerksam, wertschätzend und ordentlich. Es gibt so Momente, da schaffe ich es: kurz bevor der Besuch kommt zum Beispiel (kennt ihr das auch?).

Wer mich persönlich kennt, der weiß, dass ich nicht dauerhaft tiefenentspannt bin, mit viel Hingabe die Wohnung putze oder regelmäßig top motiviert zu meinem Lieblingssport (was ist das überhaupt?) aufbreche.

 

Doch warum das Ganze?

 

Warum passiert es mir (und wahrscheinlich auch anderen Müttern) immer wieder, dass ich in die "Perfektionsfalle" gerate? Warum glaube ich manchmal, dass ich Dinge auf eine bestimmte Weise tun oder lassen muss, obwohl es meiner Art zu leben gar nicht entspricht? Warum versuche ich jemand zu sein, der ich gar nicht bin?

Wir wollen es alle gut machen - richtig gut! Viel zu genau wissen wir heute, was wir als Eltern falsch machen könnten. Und manchmal passiert es dann, dass wir Dinge, die unsere Kinder betreffen, aus diesem Wissen und der Sorge heraus ganz anders angehen, als es eigentlich zu uns passt.

Ich denke auch, dass wir Mütter manchmal glauben, dass es von uns so erwartet wird. Dass wir automatisch, quasi mit Beginn der Schwangerschaft oder spätestens mit der Geburt, eine Art 'natürliches Muttersein' übernehmen. Und mit diesem ziemlich überromantisierten Bild (wie ich finde) geht eine gewisse Perfektionserwartung einher.

Häufig glauben wir, dass wir als Mutter quasi automatisch lieber kochen und putzen, dass wir plötzlich dauerhaft freundlich und offen, immer gesprächsbereit und zuversichtlich sind. Dass wir plötzlich wissen, was richtig und was falsch ist und dass wir immer standhaft und stark sind.

Vielleicht ist dieses Bild etwas übertrieben, dennoch glaube ich, dass viele Frauen diese Ansprüche an sich stellen und so den Druck auf sich selbst erhöhen. Weil wir denken, dass andere das auch so machen und weil wir denken, dass es so am besten wäre.

 

Will ich auch!! Ist doch klar! Aber:

 

Meine eigenen, viel zu hohen Ansprüche lassen mich immer wieder scheitern (was im Nachhinein betrachtet auch jedes Mal durchaus zu erwarten gewesen wäre). Das macht mich unzufrieden und häufig passiert es, dass sich meine Unzufriedenheit auf andere Bereiche unseres Lebens und unsere Beziehungen ausbreitet. Und ich sie an mir, meinen Kindern oder meinem Mann auslasse. Ein Teufelskreis.

Es ist nicht nur unfassbar anstrengend, wenn wir permanent versuchen besser, schneller, optimierter, wertvoller und aktueller zu sein als wir wirklich sind. Wir leben unseren Kindern dann auch vor, dass es erstrebenswert sei, perfekt zu sein. UND, dass es nicht ok ist, wie wir wirklich sind. Wie können unsere Kinder dann selbst jemals von sich glauben, dass sie so richtig sind, wie sie sind?

Es ist nicht wichtig was wir alles tun, sondern wer wir sind. Mit unseren Höhen und Tiefen, mit unseren Vorlieben und Abneigungen. Mit unseren Fähigkeiten und unseren Unfähigkeiten. Keinem Kind ist geholfen, wenn ihm die Möglichkeit verwehrt bleibt seine Mutter wirklich kennenzulernen. Stattdessen sehen sie eine Mutter, die versucht eine andere gute Mutter zu sein.

Jede von uns ist die beste Mutter für ihr Kind!!! Und unsere Kinder wollen uns sehen, so wie wir sind! Ihre eigene, ganz eigenartige, Mutter.

Das verrückte ist, dass ich sehr lange an diesem Artikel gefeilt habe, weil ich ihn perfekt machen wollte. Das Ergebnis war, dass lange Zeit nichts passiert ist. Ich saß in einer Art Starre da und war überwältigt von meinen eigenen Ansprüchen - handlungsunfähig.

Ich glaube, dass uns das als Mütter auch manchmal passiert. Aus Sorge etwas falsch zu machen oder zumindest nicht gut genug, verschließen wir vor manchen Themen oder Anforderungen die Augen und verfallen in eine zeitweilige Starre, die uns davon abhält überhaupt etwas zu tun. Das birgt meiner Meinung nach die Gefahr, dass wir Dinge übersehen und vielleicht nicht erleben, die die Zeit mit unseren Kindern so bereichern könnten.

Lasst uns mutig bleiben, das Risiko etwas nicht perfekt zu machen eingehen, beweglich bleiben und aus unseren Fehlern lernen.

Schließlich gibt es doch nichts langweiligeres als perfekt zu sein, oder?

 

Viele Grüße, 

Johanna

05.08.2020

Johanna Martinek Mütter - und Familienberatung

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