"Immer diese Streiterei!" - Wenn Geschwister sich streiten

 

Es ist still, nur leises Gekakel aus dem Kinderzimmer - Gekicher. Mein erster Gedanke: Sehr gut, sie sind gut beschäftigt und brauchen mich gerade nicht!! Ich erwische mich dabei, wie ich auf Zehenspitzen durch den Flur schleiche, auf dem Weg zu meiner Kaffeetasse, meiner Zeitschrift. Fünf Minuten für mich!

Und dann kommt es! Völlig unerwartet und grausam schlägt es zu: Geschrei. Tränen. Beschimpfungen. LAUTSTÄRKE!!!

Ich unterdrücke meinen ersten Impuls mich zu verstecken und gehe rüber, tauche ein in die Situation. Ich sehe (und höre!!) zwei schreiende und vor Wut brodelnde Kinder, sehe das Chaos, die ausgelaufene Bodylotion auf dem Teppich. Gleich eilen weinende Kinder auf mich zu, werfen sich an meine Beine. Verzweifelt, wütend und hilflos. Auch mich überrollt die Situation! Ich hocke mich hin, spende Trost, nehme sie in den Arm. Atme (!) und sage erstmal nichts.

Aber ich merke, wie es sich auch in mir rührt. Viele Gedanken kommen zusammen: musste dieser Streit ausgerechnet jetzt sein, meine kleine (und wohlverdiente) Auszeit war in so greifbarer Nähe. Mein Wunsch nach Ordnung, wenigstens ein bisschen, schon wieder unerfüllt! Und mein Verlangen nach Harmonie? Böse enttäuscht!!

Ich bin wütend, müde und traurig. Auch ich brauche Trost! Es ist so anstrengend!

Nicht selten kommen in solchen Momenten Fragen in uns hoch, wie: Streiten sich eigentlich immer nur meine Kinder? Ist das denn normal? Müssen sie sich immer sooooo gemeine Dinge und Worte an den Kopf knallen? Muss es immer weh tun? Wo haben die das denn gelernt? Habe ich irgendwas übersehen? Bin ich eine schlechte Mutter?

Wir wissen, dass Geschwisterkonflikte wichtig, unvermeidbar und völlig normal sind! Dass sie eine gute Lernchance für Kinder bieten, ihr Verhalten in Konfliktsituationen zu üben (z.B. wie weit kann ich gehen? Welche Beleidigungen sind noch ok und bei welchen Sätzen flippt mein Gegenüber restlos aus? Welcher Stubs ist noch in Ordnung, welcher tut weh?). Im Streit mit Geschwistern können Kinder lernen Lösungsstrategien zu entwickeln, trainieren für sich selbst einzustehen und sich selbst zu behaupten. In der Auseinandersetzungen können sie ihre Wertvorstellungen vertreten, verteidigen, festigen oder auch verändern.

Und auch, wenn die Auseinandersetzungen manchmal so intensiv sind, dass unsere Kinder eine Begleitung für die Klärung gebrauchen, ändern die allermeisten Geschwisterstreitereien nichts an der gegenseitigen Verbundenheit oder ihrer Geschwisterliebe.

Die Familie stellt auch hier ein prima Übungsfeld dar.

Und trotz des ganzen Wissens ist das Gefühl, wenn sich unsere Kinder gerade wieder die Köpfe einschlagen, anstrengend und herausfordernd und erzeugt bei uns Eltern zum Teil enormen Stress (natürlich je nach Intensität, Lautstärke, Häufigkeit und Austragungsort der Streitigkeiten).

Vielleicht kann es uns ein bisschen Druck nehmen, wenn wir uns bewusst machen, dass auch wir Eltern uns in einem Lernprozess mit unseren Kindern befinden. Auch wir dürfen uns eingestehen in diese Konflikte hineinzuwachsen. Mit ihnen und unseren Kindern zu wachsen. Wir müssen nicht für alles die Paradelösung haben und für ständige Harmonie sorgen. Das funktioniert meiner Meinung nach auch nicht.

Wir dürfen ratlos sein und wir dürfen das Gestreite nervig und überwältigend finden! Doch wir dürfen auch neugierig sein und uns als Entwickler einer eigenen Streitkultur betrachten.

Ich glaube, dass wir Konflikte für ein ehrliches und aufrichtiges Familienleben brauchen. In Konflikten zeigen wir uns, unsere Gefühle, unsere Verletzlichkeiten und unsere Standpunkte und geben uns so die Chance uns besser kennenzulernen. Dabei ist es unsere Aufgabe, unseren Kindern ein angemessenes Konfliktverhalten vorzuleben, das unseren Werten für ein gemeinsames Leben und Miteinander entspricht. Vorzuleben, wie Meinungen und Meinungsverschiedenheiten verhandelt und ausgesprochen werden können, ohne, dass Spielautos fliegen. Sich zu vertragen und sich zu einigen, ohne, dass einer zu seinem Einlenken gezwungen werden musste. Oder eine Idee davon vorzuleben, dass es unterschiedliche Ansichten zu dem selben Thema geben kann, ohne, dass die eine Wahrheit gefunden werden muss.

Klingt doch eigentlich ganz einfach, oder? IST ES ABER LEIDER NICHT!!  ;)

Viele Grüße, 

Johanna

03.07.2020

Johanna Martinek Mütter - und Familienberatung

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