Wir wollen alle eine gute Mutter oder ein guter Vater sein, oder?
Also ich möchte auf jeden Fall eine gute Mutter sein. Und wenn ich ehrlich bin, manchmal auch wie eine gute Mutter wirken. Doch manchmal merke ich, wie sich durch diesen Anspruch mein Blick und meine Erwartung an meine Kinder verändert.
Ich genieße diese Momente, in denen alles glatt läuft:
In denen ich mit meinen Kindern in den Supermarkt gehe, die Stimmung ist gut. Sie halten sich an den Händen. Sie suchen sich, wie vereinbart, ein kleines Teil aus. Ohne Diskussion. Mit viel Freude halten sie die Errungenschaft in den Händen. Sie strahlen die Menschen um sich herum an und singen. Es ist entzückend! An der Kasse sagen sie "Bitte!" und "Danke!" und dann beginnen sie noch im Rausgehen aus eigenem Antrieb ihre Beute miteinander zu teilen.
Das sind Situationen, da hüpft mein Herz, da geht die Sonne auf. Da bleiben Menschen verzückt stehen, lächeln und staunen. In dem Moment ist alles leicht und so schön. Da tun meine Kinder genau das, was ich mir wünsche. da sind sie so, wie ich sie gerne sehe. Ich fühle mich wie eine gute Mutter. Da denken die Menschen um mich herum vielleicht: "Mensch, die hat es drauf! Da ist es so harmonisch. Glückliche Kinder - gute Mutter!!!"
Häufig, keine drei Minuten später auf dem Heimweg, sieht das Szenario schon wieder ganz anders aus. Da gibt es Geschrei und Verärgerung, weil im Ü-Ei nicht die erhoffte Figur enthalten oder der erste Schokoriegel in der Pfütze gelandet ist. Da wird Unmut groß, da wird es anstrengend und ungemütlich. Da sind meine Kinder ungehalten und unglücklich, da verhalten sie sich herausfordernd für mich. Da sieht man mich, leicht überfordert und angestrengt auf dem Bürgersteig stehen und so manch einer, der diese Situation betrachtet schaut leicht mitleidig oder mitfühlend und denkt sich vielleicht: "Na, bei denen läuft es auch nicht so rund." oder "Diese Eltern heute haben es aber auch echt nicht im Griff." Und ich fühle mich schlagartig schwach, müde und genervt.
Wenn alles glatt läuft, unsere Kinder glücklich sind, der Alltag entspannt läuft und alles Friede-Freude-Eierkuchen ist, dann fällt es uns viel leichter, uns in unserer Rolle als Mutter oder Vater gut zu fühlen. Dann können wir an uns glauben. Dann macht das alles Sinn.
Doch, wenn der Wurm drin ist, unsere Kinder unzufrieden, traurig oder wütend, wenn es drunter und drüber geht, dann fühlen wir uns schnell schlecht in unserer Rolle, haben das Gefühl zu versagen oder vielleicht nicht gut genug zu sein. Wir verfallen in Handlungsmuster, die wir eigentlich nicht für gut heißen. Wir sagen Sätze, die wir eigentlich völlig bescheuert finden. Sätze, die wir vielleicht noch aus unserer eigenen Kindheit kennen.
Unglückliche Kinder - schlechte Mutter/schlechter Vater?
Wenn ich es hier so plakativ schreibe, wird mir plötzlich so klar, wie verrückt dieser Gedanke ist. Dieser Glaubenssatz enthält so viel. Müssen meine Kinder also glücklich sein, damit ich mich gut fühle? Muss ich alles dafür tun, dass meine Kinder immer glücklich sind?
Noch viel zu häufig machen wir unsere Wahrnehmung, eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein, von den Gefühlen und dem Verhalten unserer Kinder abhängig.
Doch das macht zum einen Stress. In einigen Situationen übernehmen noch manchmal diese alten, tief verankerten Glaubenssätze die Oberhand und wir bekommen Stress. Und da ist das Problem: Wenn wir Stress haben, handeln wir meist eher unüberlegt und nicht mehr unseren wirklichen Werten entsprechend. Da fallen Sätze, wie "Jetzt sei endlich ruhig!", "Hör auf zu heulen!" oder "Immer musst du rumschimpfen, hör auf damit!" Und schlussendlich entsteht so ein Negativkreislauf und wir fühlen uns tatsächlich schlecht.
Zum anderen erhöht es unsere Erwartungen an uns selbst und an unser Zusammenleben enorm, wenn wir immer alle glücklich sein sollen.
Familie ist NIE IMMER Friede-Freude-Eierkuchen!
Das kann und sollte sie auch nicht sein!! Familie ist ein sehr dichtes Zusammensein von Menschen mit unterschiedlichen Gefühlen, Erwartungen und unterschiedlichen Arten diese auszuleben. Familie ist der Ort, an dem sich gestritten wird, an dem sich ausgetestet wird und sich wieder vertragen werden kann. Familie ist im besten Falle ein Ort, an dem wir unsere Gefühle aussprechen und ausleben können. Wo auch Gefühle einen Platz haben dürfen, die unangenehm sind.
Wenn wir als Eltern den Anspruch an uns und unsere Kinder haben, immer glücklich und zufrieden zu sein, immer angepasst, unauffällig oder angemessen, dann sprechen wir uns einen wichtigen Teil in uns ab. Nämlich, dass wir Menschen sind und auch unangenehme Gefühle in uns tragen.
Das Ausleben aller Gefühle lässt uns wachsen und lernen.
Und lässt uns genau die Menschen sein, die wir sind.
Ich denke, dass wir auch zu "guten" Eltern werden, wenn wir unseren Kindern eingestehen, dass all ihre Gefühle da sein dürfen. Dass sie alle zu uns gehören und dass sie Gehör finden. Dass wir unsere Kinder bedingungslos lieben. Ohne Erwartungen an ihre Gefühle oder ihr Verhalten. Lassen wir uns auf diese Gefühle ein. Begleiten wir unsere Kinder durch ihre Gefühle, lassen wir unsere Kinder schimpfen, weinen und laut sein. Vermitteln wir ihnen, dass wir da sind und hören zu. Dann tuen wir das, was wir als "gute" Eltern tun können.
Wir möchten für unser Kinder das Beste und die besten Eltern sein. Unsere Kinder sind nicht dafür da um uns ein gutes Gefühl zu machen. Diese Verantwortung können und sollten sie nicht tragen müssen. Das ist nicht ihr Job! Dafür sind wir selbst verantwortlich. Unser Familienleben beschränkt sich nicht auf unsere vier Wände. Manchmal nehmen wir es sogar auch mit auf die Straße oder in den Supermarkt. Egal was andere dazu sagen.
Weil wir es lieben.
Und, weil wir darin wirklich nicht perfekt sein müssen!
Das ist nicht unser Job!
Lasst es euch gut gehen!
Johanna
18.03.2021
Johanna Martinek Mütter - und Familienberatung
Manchmal...
Es gibt Momente, da könnte es für meinen Geschmack nicht schnell genug gehen, dass ihr größer werdet... mehr
Und heute freue ich mich über das, was leicht ist!
"Du machst es dir aber auch echt leicht." Dieser Satz begleitete mich eine ganz schön lange Zeit in meiner (noch nicht sooooo langen Mutterschaft)... mehr