05.08.2021
"Mama, Papa, wenn ich groß bin, werde ich Schlachter!"
So im Vorbeigehen, ganz beiläufig, eröffnet uns unsere Tochter ihre aktuellen Zukunftspläne. "...denn ich möchte den Bauern helfen."
"Oooooookay....." Mein Mann und ich schauen uns leicht ratlos und etwas überrumpelt an.
Na gut. Wir möchten unseren Kindern alles ermöglichen. Sie sollen ihren Weg gehen können, ihre eigenen Entscheidungen treffen. Dazu stehen wir. Das ist unsere Grundhaltung. Anders kann es für uns nicht laufen.
Aber Schlachter?!?!? Echt?
Natürlich ist der Beruf des Schlachters ohne Frage ehrbar und unverzichtbar. Aber bei dem Gedanken, dass unsere Tochter diesen Weg einschlagen könnte, müssen wir zwei einen Moment schlucken und, naja, ganz heimlich schmunzeln.
"Das klingt nach einem sehr interessanten Beruf. Wo hast du davon gehört?"
Natürlich haben wir Eltern Pläne für unsere Kinder.
Pläne, wie wir unsere Kinder gern sehen würden. Wir wünschen uns für unsere Kinder, dass sie selbstbewusst sind, über eine positive Grundstimmung verfügen und mit sicheren Schritten eines Tages in die Welt hinausgehen. Dass sie die Schule gut meistern, einen 'anständigen' Beruf lernen, genügend Geld verdienen, erfolgreich und zufrieden sind.
Das sind UNSERE Maßstäbe. ABER:
Unsere Kinder brauchen unsere Pläne nicht. Pläne, die wir ganz fein säuberlich begonnen haben für sie bereit zu legen, als wir von ihrer bloßen Existenz erfuhren.
Der Wunsch, dass ein/e wunderbare/r ZahnmedizinerIn, PostbotIn oder vielleicht BauingeneurIn aus unseren Kindern werden könnte, hilft ihnen nicht.
Im Gegenteil: wahrscheinlich bewirkt er viel mehr, dass sich unsere Kinder beeinflusst fühlen - in eine Richtung geschoben. Und sie so vielleicht beginnen, ganz unbewusst, unsere Wünsche zu erfüllen. Es uns recht zu machen, um uns zu gefallen.
Und das wollen Kinder immer: Ihren Eltern gefallen.
Dazu nehmen sie sich die Pläne und die Ziele von uns Eltern nicht all zu selten an, lassen sie sich überstülpen und ziehen los in ein Leben, das eigentlich nicht ihrem wirklichen Plan entspricht.
Was unsere Kinder brauchen sind Eltern, die für sie da sind. Ihnen zuhören und zur Seite stehen. Die ihnen die Hand reichen, wenn es mal steiniger wird, die ihnen den Rücken stärken, wenn der Gegenwind zu stark wird, die Trost spenden, wenn Pläne platzen oder unerreichbar erscheinen.
Und das, obwohl es nicht die Pläne und Zukunftsideen sind, die wir für unsere Kinder geschmiedet haben.
Sondern, weil es die Pläne unserer Kinder sind, die wir bedingungslos lieben wollen.
Alfie Kohn* schreibt über bedingungslose Liebe, dass die Hauptfrage nicht sein sollte, wie wir unsere Kinder dazu bekommen das zu tun was wir möchten, sondern viel mehr zu schauen: "Welche Bedürfnisse hat mein Kind - und wie kann ich diese Bedürfnisse erfüllen?" Wenn wir uns diese Frage stellen, dann bedeute das, dass wir unseren Kindern signalisieren, dass wir sie ernst nehmen.
Das Gefühl ernstgenommen und geliebt zu werden - egal wie und wofür wir uns entscheiden. Das brauchen wir alle!
Wir können für unsere Kinder da sein, sie beim Träumen beobachten, mit ihnen gemeinsam im Gespräch bleiben.
Wenn es ums Pläne schmieden geht, glaube ich, dass es für unsere Kinder hilfreicher ist, wenn wir sie träumen lassen, anstatt ihnen gleich mit der "Das-geht-sowieso-nicht-Keule" die Unmachbarkeit und Unerwünschtheit dieser Gedanken zu signalisieren.
Das Träumen und herumspinnen hat viele Funktionen. Es ermöglicht uns einen Abgleich mit uns und der Welt zu machen. In verschiedene Rollen zu schlüpfen, Gedankenexperimente zu starten, den Horizont zu erweitern. So lernen wir uns selbst besser kennen. Und das ist eine der wohl wichtigsten Eigenschaften, die wir brauchen um für uns gute und passende Entscheidungen treffen zu können.
Und außerdem:
Wir wissen nicht, was in einigen Jahren möglich ist. Wir wissen nicht, wozu unsere Kinder vielleicht mal fähig sind. Wir wissen nicht, was unsere Kinder glücklich machen wird und wir wissen nicht, wie sich die Welt entwickelt und was mal wichtig sein wird.
Für unseren Fall hoffe ich einfach erstmal, dass in 15 Jahren für die Ausübung des Schlachterberufs das Töten von Tieren gar nicht mehr nötig sein wird.... :)
Lass es dir gut gehen!
Johanna
PS: Fällt es dir auch manchmal schwer, die Entscheidungen deines Kindes auszuhalten? Oder hast du Sorgen, dein Kind könnte falsche Entscheidungen treffen? Würdest du gern mehr ins Vertrauen kommen?
Melde dich gerne bei mir über das Kontaktformular, per Mail oder per Telefon.
* Alfie Kohn (2016); Liebe und Eigenständigkeit. Die Kunst bedingungsloser Elternschaft, jenseits von Belohnung und Bestrafung (S.139)
Johanna Martinek Mütter - und Familienberatung
05.08.2021
Die Wahrheit ist:
Die Wahrheit ist: Manchmal bin ich einfach erledigt. Ich fühle mich ausgelaugt, traurig und hilflos. Ich bin müde vom da sein, vom Auffangen und Aufrichten. Vom dableiben.
02.07.2021
Über meinen Anspruch, die Realität und das schlechte Gewissen
Ich weiß noch ganz genau, wie es war, als sich was bei mir änderte.
Der Moment, in dem ich feststellte, dass ich eine für mich falsche Richtung eingeschlagen hatte. Dass ich unbedingt abbiegen musste... mehr